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Samstag, 20. September 2014

Meine Geschichte mit der Rockmusik - Teil 3

Teil 1  hier abrufbar
Teil 2  hier abrufbar

Erste Widerstände

Während ich an die beiden Jahre im Kindergarten überwiegend gute Erinnerungen habe, wehte in der Schule von Anfang an ein ganz anderer Wind. Mit jedem zunehmenden Jahr lernte ich die bittere Realität des Ausländerseins und somit einer Randfigur kennen. So wurde ich wegen meinem bereits in den ersten Klassen stark vorhandenen Haarwuchs an den Armen als Affe gehänselt oder man machte sich über meine grosse Nase oder meine O-Beine lustig. Natürlich erscheinen auch mir solche Sachen heute als Bagatelle, aber für mich - in der damaligen Situation, als einziger Ausländer der Klasse und meistens auch in der Freizeit - waren es wie Messerstiche mitten ins Herz. War ich in meiner frühen Kindheit eine unbekümmerte und lebensfrohe Natur, so wurde ich zunehmend still und vor allem schüchtern. Immer mehr bekam ich es mit der Angst zu tun, etwas falsch zu machen oder schon nur etwas Falsches zu sagen. Denn ich fand es alles andere als angenehm, wenn man über mich lachte. Und um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, gab es ein Wort, das mich komplett zerstückelte: Tschingg. Auch wenn der Ursprung dieses Ausdrucks auf ein italienisches Fingerspiel - ähnlich wie zum Beispiel "Schere, Stein, Papier" oder "Gerade oder Ungerade" - zurückzuführen und von der italienischen Zahl Fünf abgeleitet ist, stand es von Anfang an als abwertende Dialektbezeichnung für einen Italiener. Nicht selten wurde das Wort erweitert, in etwa "Sau-Tschingg" oder "Dreck-Tschingg". Ja, damit musste ich leben, hatte keine andere Wahl. Deshalb konnte es durchaus vorkommen, dass ich weinend nach Hause kam. Meine Eltern konnten mir dabei nicht helfen, waren sie doch in einer ähnlichen Situation. Man duldete einfach stillschweigend.

Einfach unwiederstehlich dieser Boogie Rock
Das einzige, was mich all dies komplett vergessen liess, war meine kleine Musikwelt. Das war meine Flucht, der Ort, an dem ich wieder aufblühte. Hier konnte ich sein wie ich wirklich war, konnte mich unbekümmert austoben und meiner Freude freien Lauf lassen. Inzwischen hatte sich meiner Musiksammlung eine weitere Band gesellt: Status Quo. Entdeckt hatte ich die Band bei den Jungs von Brands, die bereits eine etwas grössere Sammlung hatten. Dazu kam es, als ich wiedermal zum Aufgabenmachen dort war. Irgendwann stellte sich heraus, dass mir AC/DC total gefiel und ich sollte doch mal meine geliebte Platte mitbringen. So hörte ich zum ersten Mal "Shot Down in Flames" über eine richtig gute Musikanlage mit tollem, satten Bass. Den Jungs gefiel die Musik auch, hatten sie doch beide ähnliche Musik in ihrer Sammlung. Dort hörte ich zum Beispiel auch zum ersten Mal etwas von Krokus, dem Schweizerstolz in Sachen Rockmusik, die ich aber erst etwas später wirklich zu schätzen lernte. So kriegte ich ein paar Scheiben ausgelehnt, darunter "Just Supposin' " von Status Quo. Und obwohl sie in keiner Weise den Platz meiner Stromlieblinge streitig machen konnten, war ich von Anfang angetan von ihrem bluesigen Boogie Rock. Dies veranlasste mich dazu, mir am nächsten Dorfjahrmarkt eine Kassette von Status Quo zu kaufen.

Apropos Jahrmarkt: Es gab in Riggisberg zweimal im Jahr einen sogenannten "Dorfmärit", davon einmal mit "Rösslispiel", einem Karussell und mit Schiessbude und ähnlichen Lunapark-mässigen Attraktionen. Für Kinder war dies das Jahreshighlight schlechthin. Am Freitagmorgen wurden Stände und Karussell aufgestellt und spätestens ab dem Mittag war im Dorf ein Freudenfest. Spielzeuge, Schleckereien, Attraktionen - schlicht alles, was das Kinderherz begehrt. Während der Markt am Abend bereits wieder abgeräumt wurde, blieb das Karussell auch am Samstag in Betrieb. Da drehte ich natürlich auch meine unzähligen Runden. Als zusätzlicher Ansporn diente ein Fangarm, in dem Ringe platziert wurden, die man beim vorbeidrehen vereinzelt herausziehen konnte. Einer dieser Ringe war goldig und wenn man es schaffte, diesen Ring zu ergattern, erhielt man eine Rote Fahne und somit eine Gratisfahrt. Durfte mich auch etliche Male zu den Flinken und Glücklichen zählen, was mir - auch für einen kurzen Moment - Freude und eine gewisse Genugtuung in Anbetracht mancherlei Umstände verlieh. Aber der Dorfmärit war auch sonst der Tag, an dem ich mich regelrecht verwöhnt fühlte. Nönu und Nonä berappten mir so manch kleines Spielzeug, meistens irgend eine Modellbaumaschine oder ein kleiner Gummidinosaurier. Auch meine Mutter liess es mir an diesen Tagen an nichts fehlen: Ob rote Tickets fürs Karussell, eine Wasser- oder Kügelipistole - immer wieder gab es Dinge, an denen ich mich freuen konnte. Und genau an einem dieser Markttagen konnte ich mir "Never too Late" von Status Quo kaufen.

Ehm, exgüsi, gibt's da auch noch etwas rockiges?
Im Gegensatz zu "Just Supposin'" war der Sound auf "Never too Late" eindeutig rauher, direkter und ganz allgemein etwas härter. Dies sollte schliesslich in der Geschichte von Status Quo das härteste Album bleiben, eine Sounddichte, die sie - trotz allen vorherigen und nachfolgenden Hits - nie mehr erreichten. Die Kassette gefiel mir jedenfalls sehr gut und lief folglich zu Hause rauf und runter. Lediglich eine andere Kassette überbot sie an Drehzahlen im Gerät: "If you want Blood" von AC/DC. Die Geschichte, wie ich zu diesem Album kam, ist etwas unüblich. Aber zu dieser Zeit hatte ich noch keine Ahnung, welche Scheiben von AC/DC überhaupt existierten. Die einzigen Quellen waren das Plattenregal im Coop, bei dem die von mir gekauften Platten lange die einzigen von AC/DC waren, die Kassettenstände beim Jahresmarkt, die aber grösstenteils nur Volkstümliche oder aktuelle Popmusik anboten, eine kleine Kassettenauswahl im Elektro- und im Radio/TV-Geschäft oder die Musikabteilung im Ryfflihof Coop in der Stadt Bern, die aber auch fast ausnahmslos nur die aktuellen Sachen im Sortiment führten. Und "If you want Blood" gehörte damals schon zum Backkatalog. Wie dem auch sei, hatte Thomas, ein Klassenkamerad, eine Geburtstagsparty bei sich zu Hause organisiert. Die Musik, die dort lief war praktisch während der ganzen Zeit Boney M oder Abba. Keine Ahnung warum, aber mit dieser Popmusik konnte ich mich einfach nicht anfreunden. Alles schien mir so gestellt brav, so scheinheilig. Alle fanden es toll, nur ich nicht. Und da entdeckte ich eine Kassette von AC/DC. Fragte Thomas, ob er diese auch mal abspielen würde. Irgendwann steckte er dann die Kassette tatsächlich in den Recorder und ein paar Stücke lang lief sie auch. Doch ausser mir und Thomas schien die Musik niemandem wirklich zu gefallen, denn nach und nach wurde der Raum, in dem die Musik lief, verlassen.
Das war für mich einer dieser Schlüsselmomente, wo ich merkte, dass ich mir mit AC/DC und allgemein mit Rockmusik wahrscheinlich keine Freunde machen würde. Nun denn. Ich merkte mir das Bild der Kassette und bei der nächsten Möglichkeit, die sich mir bot, erwarb ich sie mir und brachte somit den ersten Tonträger von AC/DC nach Hause, nachdem ich bereits zwei Vinylplatten bei meinen Tageseltern hatte. Es zeichnete sich also unmissverständlich ab, dass eine harte und wilde Form der Rockmusik einfach zu meinem Leben gehörte, da sie mich schlicht glücklich machte. Und diesen Fluchtort der Freude brauchte ich, mehr als mir manchmal lieb war.

Strommusik für Zuhause
In der Schule zeichnete sich nicht nur durch den Übergang in die dritte Klasse und somit dem Wechsel der Lehrerin eine Änderung ab, auch generell fand ich mich immer weniger zurecht. Wie es sich ein jeder Mensch grundsätzlich wünscht, möchte man wahrgenommen werden und einfach akzeptiert sein. Und die dritte Klasse bot mir diesbezüglich eine enorme Herausforderung. Nicht dass es mir schon genug schwer gefallen wäre, in meiner Freizeit mit Kameraden bei irgendwelchen Spielen klarzukommen, ohne dass ich zum Spottgeschütz wurde, setzte die Lehrerin mit ihrer Strenge noch eins obendrauf. So wurde ich durch eine Trennungsübung jäh aus meinen bisherigen Traumquoten der 5.5 und 6 ins Jammertal befördert. Darüber hinaus waren beide geschriebenen Seiten im Heft quer durchgestrichen, was soviel hiess wie "noch einmal neu". Ich war wie gelähmt. Die ersten Gedanken waren "Was wird mein Vater dazu sagen? Er wird bestimmt ausrasten! Wie konnte das bloss passieren?" Dass es in der dritten Klasse von der Strenge her anziehen würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. Völlig erschlagen kehrte ich mit meinem Missgeschick nach Hause, ein Heft so schwer wie Blei und ein Herz dessen Pulsschlag ich am ganzen Körper wahrzunehmen schien. Und der Moment kam, dass ich meinem Vater das Heft zeigen musste und ich zwar daneben stand, aber am liebsten im Boden versunken wäre. Wie das Ganze detailliert vor sich ging, weiss ich nicht mehr. Es war einer dieser Momente, wo ich angeschrien und bestenfalls geschlagen wurde - in anderen Worten Momente, die ich über mich ergehen lassen musste und mir schnellst möglichst vorbei wünschte.

Als ich die Trennungsübung zur Korrektur als Hausaufgabe zu Brands brachte, reagierten sie zu meiner Erleichterung ganz anders. Eva war der Ansicht, dass die Lehrerin nicht so streng hätte korrigieren sollen, da es ja immerhin erst der Anfang der dritten Klasse sei und man zum ersten Mal so etwas gemacht habe. Brands waren zwar streng und verlangten Fleiss und Disziplin von mir, wussten aber auch genau über meine Bemühungen und Fähigkeiten Bescheid. Sie waren im Bild, was in der Schule lief und standen immer hinter mir, wenn es diesbezüglich irgendwelche Schwierigkeiten gab. So kam es auch vor, dass sie mich vor meinem Vater verteidigten, der jede Kleinigkeit als Vorwand gebrauchte, mich noch mehr anzustrengen. Sie waren es auch, die in mir ein gewisses Selbstvertrauen erweckten und mir eine Identität jenseits der italienischen Grenzen zuschrieben. Für sie war klar, dass ich kein Italiener mehr war. Meine Eltern sahen dies natürlich anders und sowohl ihre, als auch meine Erlebnisse wiederlegten diese Ansicht. Folglich befand ich mich von Anfang an in einer Zwickmühle, da ich durch meine Umgebung, die fast ausschliesslich aus Schweizern bestand, entsprechend geprägt wurde, anderseits aber in einer typischen süditalienischen Familie lebte, deren Wurzeln noch heute unverkennbar in meiner Natur wahrzunehmen sind.

Und genau dieses Dilemma wurde mir in mancherlei Hinsicht immer wieder zum Verhängnis. In der Schule und in der Freizeit war ich einfach der Italiener und in Italien war ich "lo Svizzero", der Schweizer. Immer wieder war ich hin- und hergerissen, hatte keine wirkliche Identität. Meine Verwandten in Italien vergötterten mich geradezu, allein schon wegen der Tatsache, dass sie mich einmal, höchstens zweimal im Jahr zu Gesicht bekamen. Bei Cousins und Cousinen stellte es aber bereits an, weil da die kulturellen Schranken und somit auch Interessen und Verhalten oftmals im Weg standen. Und trotzdem nahm ich immer wieder ein Stück Nostalgie und Wehmut mit aus den Ferien zurück. Allerdings wurden diese innert kürzester Zeit im schweizerischen Alltag gnadenlos erstickt.

Und meine Liebe zur Rockmusik machte dieses Identitätsproblem nicht einfacher. Im Gegenteil. Das Dorf, in dem ich zur Welt gekommen bin, war in Sachen Musik nur auf einheimische Musik fixiert. Rockmusik war in ihren Augen die Musik der Rebellen und Vagabunden. AC/DC wurde also von Anfang an ausgeschlossen, hatte keine Daseinsberechtigung in der Mitte von Menschen, die sich nach einem besseren Leben sehnten und zudem erzkatholisch, vereinzelt sogar abergläubisch waren. Leute, die meistens auf dem absoluten Existenzminimum lebten, es aber nicht scheuten, ihr Hab und Gut mit anderen zu teilen. Der Ruf von Offenherzigkeit und Gastfreundschaft der Italiener ist somit nicht irgendein Mythos, sondern Realität - zumindest in der Mitte von Verwandten und Leuten, die sich kennen. Aber war irgendwer in der Familie oder in der Verwandtschaft mal nicht gerade so, wie es den Massstäben entsprechen sollte, konnte man damit plötzlich sehr hart ins Gericht gehen. So wunderte es zum Beispiel wenig, wenn ein junger Mann, der sich die Haare wachsen liess, plötzlich als "Drogato", also Drogensüchtiger, oder als Vagabund verschrien wurde - auch wenn er mit Drogen überhaupt nichts am Hut hatte. Ironischerweise haben mich lange Haare bei Männern immer fasziniert, fand das immer total lässig und cool, aber geprägt durch meine Kultur wurde mir von Anfang an klargemacht, was davon zu halten ist. Und mit diesem immer grösser werdenden Widerstand, welcher durch die verschiedenen Konturen der Rockmusik sich in meinem noch total jungen Leben fein abzeichneten, sah ich mich zunehmend konfrontiert. Rock hiess für mich Freude, Freiheit und Frieden. Stattdessen erntete ich damit Hohn unter Schulkameraden und allgemein die Aussenseiterrolle in der allgemeinen Mehrheit der Gesellschaft. Ob in der Schule, ob zu Hause, zu Besuch oder in der Freizeit - sobald Rockmusik oder AC/DC angesprochen wurden, waren die Rollen verteilt. Meine war fast ausnahmslos die des Verlierers. Aber wollte ich überhaupt ein solches Leben führen? Ein Leben, wo man mit dem, was einem lieb ist, aneckt? Natürlich war ich zu diesem Zeitpunkt viel zu jung, um diese Widerstände zu verstehen, geschweige denn, mich ihnen zu stellen. Ich gab nach, wollte akzeptiert und geliebt sein und versuchte deshalb, auf dem Zug der Allgemeinheit mitzufahren.



1 Kommentar:

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