Aus einer Sammlung von:
- Aktuelle, sowie vergessene musikalische Perlen aus der Welt des Rock und Heavy Metal
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- Gedanken aus aktuellem Anlass

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Melodic Metal, Prädikat: Referenzklasse


[Im WebZine Whiskey-Soda veröffentlicht]


SIGNUM REGIS

Chapter IV: The Reckoning

(Metal, Melodic Metal, Power Metal)


Ein zunehmender Trend zeigt, dass die Grundschule des Heavy Metal auch bei jüngeren Bands ihre Spuren hinterlassen hat. Ein allgemeines "Back to the Roots" überstrahlt nicht nur eine mittlerweile mehrjährige, neue schwedische Hardrock-Welle, auch im Metalbereich wagt man sich zunehmend gegen den angesagten Strom der Extreme zu bewegen. So hat sich zum Beispiel das schwedische Label Ulterium Records einer Reihe von Bands angenommen, die im melodischen und eher traditionellen Bereich des Metal angesiedelt sind und unter welchen auch Signum Regis amtieren. Ihr respektabler Backkatalog von drei Alben und einer EP hat in einigen Underground-Magazinen zwar die Runde gemacht, doch zum Szenendurchbruch hat's noch nicht gereicht. Aber dies dürfte sich bald ändern. Denn ehrgeizig und unbeirrt an seiner Soundvision festhaltend, hat Bassist und Mastermind Ronnie König die Band unterdessen auf ein Niveau gebracht, das so manch bekannte Band ihres Genres in Verlegenheit bringen dürfte.

Um die Wartezeit zwischen dem letzten Album "Exodus" (2013) und dem vorliegenden, mittlerweile vierten Longplayer zu verkürzen, gab's diesen Frühling mit der EP "Through the Storm" mehr als bloss einen Überbrückungstrost: Die Slowaken drückten ihrem bereits eigenwilligen, neoklassisch angehauchten Power Metal einen etwas kantigeren Stempel auf und überraschten bei den vier neuen Songs vor allem durch deren Hymnencharakter. "Chapter IV: The Reckoning" führt den eingeschlagenen Weg nahtlos fort und - ja, das kann man bereits vorneweg sagen - setzt dem Ganzen die Krone auf.

Was Signum Regis von unzähligen anderen Melodic / Power Metal-Bands unterscheidet, ist die Tatsache, dass Signum Regis auf jegliche Gimmicks wie getriggerte oder Computergenerierte Drums und übertrieben bombastische und nicht selten kitschige Synthikulissen verzichten und trotz einer sauberen und druckvollen Produktion darum bemüht sind, einen möglichst authentischen und live-ähnlichen Sound zu kreieren. Dass die fünf Slowaken nämlich allesamt hervorragende Musiker sind, konnte man bereits auf den Vorgängeralben heraushören. Auf "Chapter IV: The Reckoning" - wie im Übrigen bereits auf der EP - ist man nun als Band zusammengewachsen und hat damit einen bezeichnenden Qualitätssprung gemacht. Die Kompositionen sind kompakter, die Songs sind allgemein direkter und weniger verspielt und die Hooks sind noch ausgereifter - eigentlich ein Indiz dafür, dass man nicht lediglich Songs fürs Studio schreibt, sondern diese genauso ohne Umschweife auch live vortragen will.


Es mag sein, dass man mit komplexen und vertrackten Songstrukturen kreativ und künstlerisch bei Kritikern das grosse Los zieht, aber es ist ebenso (und vielleicht sogar noch mehr) hohe Kunst, Inspiration, Kreativität und Komplexität auf eine simple und zugängliche Art herunter zu brechen. Signum Regis ist dies auf eindrückliche Weise gelungen. Ihre unbestreitbare musikalische Klasse, sowie ihre unüberhörbare Liebe zur klassischen Musik verschachteln sie in zehn einzelne Songperlen, ohne diese künstlich auszuwalzen. Vom flotten Opener 'Lost and Found' bis hin zum epischen, schleppend-balladesken Abschlusstrack 'Bells are Tolling' lassen Signum Regis nichts aus, was sich der Freund von melodischem Schwermetall wünscht: Egal ob im Mid-Tempo gehalten oder aufs Gaspedal gedrückt - Signum Regis sind jeder Situation gewachsen und bestechen immer wieder durch die abermals messerscharfe und dennoch filigrane und präzise Gitarrenarbeit von Filip Kolus (einfach zum Niederknien, was dieser Mann aus den sechs Saiten herausholt!), der perfekt harmonierenden Rhythmussektion um Drummer Jaro Jancula und Bassist Ronnie König (mit seinem souveränen und für das Genre eher untypisch ausgeprägten Bassspiel steckt er seine Kollegen locker in die Tasche), der gezielten, aber nie aufdringlichen Synthi-Veredelung von Jan Tupy und dem markant-kraftvollen Gesang von Mayo Petranin, der bestens auch ohne Auto-Tune auskommt.

Sei es das hymnenhafte 'The Voice in the Wilderness', der grossartige Mid-Tempo-Reisser 'Kingdom of Heaven', der Nackenbrecher 'Prophet of Doom' oder das energiegeladene und stürmische 'Quitters Never Win' - sie sind nur eine kleine Auswahl der Referenzklasse, welche man auf "Chapter IV: The Reckoning" à discrétion serviert bekommt. Signum Regis ziehen alle Register ihres Könnens, heben einen Querschnitt durch ihr bisheriges Material heraus und veredeln es optimiert und perfektioniert auf den Tonträger - schlicht ein wahres Freudenfest für jeden Heavy / Power Metal-Liebhaber, egal aus welcher Generation.

Ob am Schluss die Rechnung aufgeht und sich Signum Regis in der mittlerweile kaum mehr überschaubaren Release-Flut durchzusetzen vermögen, bleibt natürlich offen. Genauso aber bleibt die Tatsache, dass "Chapter IV: The Reckoning" nicht nur Signum Regis' bisheriges Referenzwerk geworden ist, sondern sich die Höchstwertung uneingeschränkt verdient hat. Definitiv ein heisser Anwärter zum Newcomer-Album des Jahres im Bereich des Melodic Metal!

Punkte: 10 / 10

Credits: Ulterium Records 2015


Samstag, 10. Oktober 2015

Rockin' Hellas!


[Im WebZine Whiskey-Soda veröffentlicht]

DIVINER

Fallen Empires

(Metal, Heavy Metal)


Egal, wie es ökonomisch um Griechenland steht und wie viele bitterböse Witze darüber bereits die Runde gemacht haben, Diviner vertreten mit ihrer Musik ihre Heimat von ihrer glorreichen Seite. Die in 2011 gegründete Band setzt sich zu einem Teil aus Mitgliedern von Innerwish zusammen und wird durch deren langjährige Freunde komplettiert. Die Vision von Diviner bestand von Anfang an darin, einen kraftvollen, intensiven, düsteren und zutiefst heavy inspirierten Sound zu kreieren, der einerseits die Essenz des traditionellen Heavy Metal einfängt und gleichzeitig zeitgenössisch klingt. Und mit "Fallen Empires" debütieren die Griechen unter dem schwedischen Label Ulterium Records und reihen sich dort perfekt in deren Musikagenda ein.

Bereits der knackige und brachiale Sound, der Toningenieur Peter In de Betou (u.a. Arch Enemy, Opeth und Amon Amarth) zu verdanken ist, gibt die Richtung von Anfang an klar an. Mit einem Riffgewitter sondergleichen legen die Herren mit dem Titeltrack los, um dann im folgenden während der gesamten Spielzeit wie ein Panzer alles in Grund und Boden zu walzen. Legendäre Bands wie Judas Priest oder Accept, aber auch modernere Acts wie Iced Earth, Primal Fear oder Brainstorm standen da unüberhörbar Pate. Doch statt ein billiges Plagiat abzuliefern, strotzen die zehn Songs nur so von Frische und Spielfreude, zu keinem Zeitpunkt kommt da Langeweile auf. Zwar klingt einiges auf den ersten Hörgenuss gleichförmig, streckenweise fast etwas monoton und es scheinen irgendwie die Höhepunkte zu fehlen. Das liegt unter anderem auch an der etwas harschen und eher eintönigen - und vielleicht für Einige gewöhnungsbedürftigen - Stimmlage von Yiannis Papanikolaou, der sich allerdings perfekt ins Soundgerüst von Diviner einfügt. Stücke wie 'Kingdom Come', 'Evilizer', 'Seven Gates', 'Come Into My Glory' oder 'Sacred War' verfügen nämlich neben dem soliden Grundtenor absolutes Hitpotenzial und gehören in der Sparte zum Besten seit Jahren.


Es wird immer wieder darüber spekuliert, was wohl sein wird, wenn Bands wie Judas Priest, Accept und Genossen der traditionellen Metallschmiede in Rente gehen werden. Nun, solange Bands wie Diviner nachrücken, wird man sich um die Zukunft des traditionellen Heavy Metal nicht sorgen müssen. Wenn diese ambitionierten Griechen auf ihrem Soundgerüst weiterbauen und zu ihrer Spielfreude und Frische noch etwas mehr an Originalität und Ideenreichtum zulegen, dann könnte da durchaus etwas ganz Grosses auf uns zukommen. Mit "Fallen Empires" haben Diviner jedenfalls schon mal eine beeindruckend-atmosphärische Visitenkarte hinterlegt - Efcharistó!

Fazit: Aufdrehen, Luftgitarre anschliessen, headbangen und geniessen!


Punkte: 9 / 10

Credits: Ulterium Records 2015

Dienstag, 6. Oktober 2015

Hart, aber himmlisch



[Im WebZine Whiskey-Soda veröffentlicht]


STRYPER

Fallen

(Metal, Heavy Metal, Hardrock)


"Wir sind keine christliche Rockband!", liess Sänger und Gitarrist Michael Sweet Anfang Jahres verlauten und stiess damit viele - hauptsächlich Christen - vor den Kopf. Was Sweet damit erklären wollte, war, dass er es absurd findet, eine Band als christlich zu "schubladisieren". Stattdessen habe sich Stryper immer als simple Rockband, einfach halt aus christlichen Mitgliedern bestehend, verstanden. Betrachtet man allerdings die Bandgeschichte, dann war die christliche Etikette von Anfang an Bestandteil ihrer Vermarktung und die christliche Rock- und Metalszene hatte damit ihre Vorzeigeband, die es kommerziell wie keine andere christliche Band an die Spitze brachte. Doch aus konservativen Reihen wurde scharf auf Stryper geschossen, da sich aus deren Perspektive christlicher Glaube und Rockmusik nicht verträgt. Dies wiederum veranlasste die Band dazu, ihr typisch gelb-schwarzes Outfit abzulegen, den Schriftzug zu ändern und mit "Against the Law" ein Album zu veröffentlichen, auf dem man komplett auf die zum Teil überaus plakativen Texte verzichtete.

15 Jahre dauerte es dann, bis man sich mit "Reborn" zurückmeldete. Doch der Versuch, an ihren 80er-Werken anzuknüpfen oder zumindest einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, erwies sich als Schwerarbeit. Sowohl "Murder By Pride" oder das Coveralbum "The Covering", wie auch das Remakealbum "Second Coming" wurden gnadenlos vom übersättigten Markt erstickt. Erst "No More Hell To Pay" vermochte wieder richtig Fuss zu fassen und wurde mitunter sogar begeistert aufgenommen. Knapp zwei Jahre später kündigen Stryper mit "Fallen" ihr bisher härtestes Werk an. Die Songproben von 'Yahweh' und 'Fallen' bildeten zusammen mit dem ästhetischen Cover-Artwork ein überraschender Appetitanreger. Überraschend, weil Stryper tatsächlich härter, düsterer und vor allem besser als je zuvor klingen!


Mit 'Yahweh' wird das Album zwar im typischen Gospelähnlichen Refrain eröffnet, doch die Gitarrenattacken, sowie die Tempowechsel im Mittelteil erheben Strypers Sound auf eine höhere Ebene. 'Fallen', 'Let There Be Light', 'The Calling' und 'King Of Kings' hauen da in dieselbe Kerbe, halten das Niveau problemlos und zeugen von inspiriertem Songwriting. Sternstunden in Strypers Songkatalog sozusagen, die zum wiederholten Mal Goldkehle Michael Sweet in scheinbar ewiger Jugend und Oz Fox als begnadeter Saitenakrobat offenbaren. Und auch die Stampfer 'Pride' und 'Big Screen Lies' fügen sich nach anfänglicher Blockade mühelos ein, während die etwas gemächlicheren 'Heaven' und 'Love You like I Do' eher an glorreiche alte Tage erinnern. Positiv zu vermerken gibt's auch das Black Sabbath-Cover 'After Forever'; denn irgendwie ist gerade dieses Stück bezeichnend für die Soundausrichtung auf dem gesamten Album, welchem unüberhörbar die unvergleichliche Schwere von Tony Iommis Riffkünste zugrunde liegen. Schwer verdauliche Kost bietet hingegen einerseits 'Till I Get What I Need', welches sich durch sein unpassendes Tempo als Stilbruch erweist. Abschliessend wird mit der Ballade 'All Over Again' der Vogel dann endgültig abgeschossen. Auf einem Countryalbum wäre der Song ja passabel, aber bitte nicht auf einem Metal-Album, meine Herren - geht gar nicht!

Doch alles in allem gibt's auf "Fallen" wirklich wenig Anlass zur Kritik. Das einst gefeierte Aushängeschild des White Metal meldet sich zurück und ragt stolz über den ohnehin schon grossartigen Releases dieses Jahres von Genrekollegen wie Scorpions, Europe oder Iron Maiden mit hinaus. Knüpfte "No More Hell To Pay" an die Glanzzeiten von "Soldiers Under Command" oder "To Hell With The Devil" an, so schlägt man mit "Fallen" zwar einen etwas härteren Kurs ein, aber definitiv auch einen ausgereifteren. Egal, ob Stryper nun eine christliche Band oder schlicht eine Band aus Christen sind - wer klassischen, hervorragend gezockten und stimmigen Heavy Metal mit hymnenhaften Hooks mag, der kommt an "Fallen" definitiv nicht vorbei.

Punkte: 9 / 10

Credits: Frontiers Records 2015