Aus einer Sammlung von:
- Aktuelle, sowie vergessene musikalische Perlen aus der Welt des Rock und Heavy Metal
- Lohnenswerte Filme
- Gedanken aus aktuellem Anlass

Dienstag, 23. Mai 2017

Bevor der Begriff Melodic Metal überhaupt existierte ...


FIFTH ANGEL

Fifth Angel


(Metal, Heavy Metal, Melodic Metal)



1986, welch ein Jahrgang für den Heavy Metal: Im Thrash-Sektor erreicht man mit "Master of Puppets", "Peace sells …", "Reign in Blood" oder "Pleasure to Kill" ausgereifte Spitzenwerke, während "The Final Countdown" oder "Slippery when wet" die kommerzielle Flut des Glam / Hair Metal so richtig auslösen. Daneben veröffentlichen gestandene Traditionalisten wie Judas Priest, Accept oder Iron Maiden ihre Werke – darunter sogar unsterbliches Klassikermaterial wie "Somewhere in Time". Aber auch unbekannte Bands veröffentlichen Debut-Alben, die noch heute seinesgleichen suchen. Einige davon sind z.B. der gleichnamige Erstling von Crimson Glory, Swords "Metalized", "Doomsday for the Deceiver" von Flotsam and Jetsam oder "Epicus, Doomicus, Metallicus" der Doomster von Candlemass.

Oder eben das gleichnamige Debut von Fifth Angel. Ein Album, das bei dessen Veröffentlichung wie ein Chamäleon wirkt, weil es nicht wirklich in die eine oder andere Schublade passt. Für Hair Metal ist das Werk zu kantig und zu heavy, aber dann auf der anderen Seite wiederum zu seicht, um sich im rauen U.S. Power Metal durchzusetzen. Ein stilistisches Wagnis, das schliesslich lediglich nur noch ein zweites Album und die anschliessende Bandauflösung zur Folge hat. Unbegreiflich, wenn man sich heute, 30 Jahre später, dieses Werk anhört: Jede Melodic-Metal-Band würde ihr Leben dafür geben, heute ein Album von solch schöpferischer Qualität herauszuhauen!

Angefangen bei der auffälligen, von grossartigen Riffs getragenen Gitarrenarbeit, über den stimmsicheren und versierten Sänger, der glasklaren und druckvollen Produktion bis hin zur abwechslungsreichen Songauswahl – hier passt einfach alles. Auch wenn mittlerweile anderswo auf ähnliche Weise bereits gehört, spielen Fifth Angel ihre Songs mit unbändiger Energie und spürbarer Leidenschaft – egal, ob der flotte Opener 'In the Fallout', das stampfend-hymnenhafte 'Shout it out', die speedigen 'Call out the Warning' und 'The Night' oder das balladeske 'Wings of Destiny'. Aber die ganz grossen Asse spielen die Mannen aus Washington mit den Midtempo-Krachern 'Fifth Angel', 'Only the Strong survive' und dem göttlichen 'Cry out the Fools' aus.

Summa summarum nichts wirklich Neues. Aber rückblickend auf die damalige Zeit und wie vergleichsweise frisch und unverbraucht dieses Werk heute klingt, muss man gestehen, dass Fifth Angel 1986 einfach der Zeit voraus waren und die Weichen für den künftigen Melodic Metal bereits damals gestellt haben. Welch Ironie, wenn man bedenkt, wie ihr Nachfolgewerk ausgerechnet mit ihrem Titel dies bereits voraussagte: "Time will tell". Aber das ist dann wiederum eine eigene Geschichte …



Punkte: 10 / 10 (Klassiker)

Dienstag, 16. Mai 2017

Kultiger Meilenstein


FATES WARNING

Awaken the Guardian


(Metal, U.S. Metal, Progressive Metal)



Es ist das Jahr 2016 und die Kultband Fates Warning treten zum 30-jährigen Jubiläum ihres Magnum Opus "Awaken the Guardian" am Keep-it-True-Festival in dessen Originalbesetzung auf und spielen das Album in voller Länge, angereichert mit ein paar Songs aus den beiden Vorgängeralben. Wer "Awaken the Guardian" kennt, der weiss genau, welchen Stellenwert dieses Album innerhalb der Metal-Szene besitzt und was es folglich heisst, dieses 30 Jahre später exklusiv live zu erleben. Wer es hingegen nicht kennt, darf sich gerne eingeladen fühlen, sich dieses besondere Werk nachträglich zu Gemüte zu führen.

"Awaken the Guardian" ist nach dem beachtlichen Debut "Night of the Bröken" (auf dem man noch sehr auffällig und streckenweise etwas zu krampfhaft nach Iron Maiden klingt) und dem grossartigen Nachfolger "The Spectre within", das Resultat einer eigenwilligen Soundentwicklung und -evolution. Getragen von zweistimmigen Gitarrenriffs und -harmonien, markantem Gesang, leicht orientalischen Einflüssen und progressiven Songstrukturen heben die fünf Amis ein Werk aus der Taufe, das zu einem der bedeutendsten Alben des künftigen Progressive Metal gehören sollte.

Manch einem mag John Archs hohe und anfangs schief empfundene Stimmlage fremd klingen und dies könnte möglicherweise davon abschrecken, sich dem Soundvergnügen hinzugeben. Doch wer diese Hürde einmal hinter sich gebracht hat, der wird sich einem Sound ergeben müssen, der sich das Prädikat "Perfekt" aufgrund der filigran ausgearbeiteten Strukturen und Harmonien in jedem einzelnen Song regelrecht verdient. Keine klassischen Kompositionen der Marke Vers-Refrain-Vers-Refrain-Solo-Refrain, vielmehr entwickeln Songs wie 'Valley of the Dolls', 'Fata Morgana', 'Guardian' oder 'Exodus' durch Tempowechsel und geradezu lyrischer Schöpfung ein etwas anspruchsvolleres Klangerlebnis unvergleichlicher Schönheit und Sounddichte, das "Awaken the Guardian" zurecht zu einem Klassiker des U.S. Metal erhebt und zu einem Prog-Metal-Meilenstein macht.

Wer auch nur ansatzweise etwas für Metal der melodischen Sorte übrig hat, progressivem Touch nicht abgeneigt ist und dem Album zwei, drei Durchläufe gönnt, der wird dieses Werk nicht so schnell wieder weglegen wollen. Traumhaft!



Punkte: 10 / 10 (Klassiker)