Aus einer Sammlung von:
- Aktuelle, sowie vergessene musikalische Perlen aus der Welt des Rock und Heavy Metal
- Lohnenswerte Filme
- Gedanken aus aktuellem Anlass

Mittwoch, 18. Februar 2015

Die Welt mit anderen Augen sehen


METALHEAD

(Originaltitel: Málmhaus; Island 2013)



Genre: Drama
Regie: Ragnar Bragason
Darsteller: Þorbjörg Helga Dýrfjörð, Ingvar E.Sigurðsson, Halldóra Geirharðsdóttir
Musik: Petur Thor Benediktsson
Laufzeit: 97 Min.
Altersfreigabe: 16
Themen: 
Trauma, Trauer, Wut, Rebellion, Selbstfindung, Vergebung / Versöhnung, Bestimmung 


Hin und wieder gibt es sie: Filme, die einem aus der Seele reden. "Metalhead" mag auf den ersten Blick nicht in diese Sparte gehören und scheint nur Liebhaber der harten Rockmusik und der Subkultur des Heavy Metal anzusprechen. Womöglich trifft dies primär auch zu, doch ein genaueres Hinschauen entfaltet sich als Filmjuwel, welches nicht bloss eine Ode an eine weitgehend unbeachtete Musikrichtung und verschmähte Subkultur ist, sondern mit viel Feingefühl und Glaubwürdigkeit das Leben einer zerschundenen Seele schildert.

Zum Plot:  
Es ist das Jahr 1970 und als Black Sabbath ihr erstes Album aufnehmen, wird in einem tristen Dorf im isländischen Nirgendwo die kleine Hera geboren (Thorbjörg Helga Thorgilsdóttir). Als Zwölfjährige muss sie mit ansehen, wie ihr großer Bruder durch einen tragischen Unfall aus dem Leben gerissen wird. Von dem traumatischen Erlebnis schockiert, übernimmt sie seine Persona samt Lederjacke, Motörhead-Shirt und E-Gitarre. Ihre ganze Jugend trägt sie fortan nur noch seine Klamotten, hört und spielt seine Musik. Trauer und Wut werden mit Songs von bekannten Metalbands und mit eigenen Heavy-Metal-Riffs ausgedrückt. Auch nach der Schulzeit fühlt sie sich von allen missverstanden - auch von ihren Eltern. Diese versuchen durch den Kirchenchor wieder ein wenig am Leben teilzunehmen. Gerade als Heras Rebellion immer destruktivere Ausmaße annimmt, zieht ein junger Priester in den Ort. Das Schicksal scheint sich zu wenden und Hera erkennt, dass sie nicht ihr ganzes Leben lang weglaufen kann... (Allgemeiner Filmbeschrieb)


Wer jetzt meint, dass einem damit ein rührseliger, in typischer Hollywood-Manier x-fältig wiederholter und künstlich aufgeblasener Stoff serviert wird, der wird enttäuscht. Der isländische Regisseur Ragnar Bragason, selbst grosser Heavy Metal Fan, schrieb auch gleich das Drehbuch zu dieser Independent-Produktion. Und das Resultat ist beeindruckend. Nicht nur, dass es ihm gelingt, in seinem Coming-of-Age-Film eine überzeugende Hauptdarstellerin in Szene zu setzen, sondern es versteht, die Dramaturgie durch die Weite isländischer Kulisse und der damit verbundenen Rauheit und Einfachheit der Lebensbedingungen und -umstände perfekt einzufangen.

Im Gegensatz zu vielen Mainstream-Produktionen, wo man gerne bestimmte Szenen ausbaut und nicht selten in die Länge zieht, um beim Zuschauer gezielt eine gewisse Wirkung zu erlangen, wirkt bei "Metalhead" anfangs vieles kurz und abrupt. Manchmal erweckt es sogar den Eindruck, als wäre der Film ein Abspulen von Episoden. Doch gerade darin liegt die Faszination, weil erst gegen Schluss alles in ein Gesamtbild zusammenläuft, welches nicht mit einem fertigen Ende aufwartet, wohl aber die vereinzelten Lebensabschnitte von Hera in einem klareren Licht erstrahlen lassen. So verfallen Aussagen wie:
"Es sind die Dinge, von denen wir wegrennen, die uns am meisten schmerzen"
"Es heisst, dass die Zeit Wunden heilt. Aber das ist nur dummes Zeug"
"Die Trauer frisst unser Leben auf"
"Gott gibt es auch in der Finsternis" 

nicht einfach nur zu blanken Zitaten, sondern graben sich mit ihren Bildern tief in die Emotionsebenen ein und hinterlassen eine nachhaltige Wirkung - man fühlt mit, man trauert mit und man beginnt zu verstehen. Und statt dabei den Zuschauer ständig mit Musik zu berieseln oder gar zu torpedieren, zeichnet Ragnar Bragason ein hervorragendes Psychogramm einer verwundeten Person, welche ihren Schock, ihre Trauer und ihre Wut in der Härte und Ehrlichkeit des Heavy Metal verarbeitet.

Wer, wie ich, als Heavy Metal-Fan aufgewachsen ist, wird "Metalhead" lieben und muss sich nicht wundern, sich selbst in der einen oder anderen Szene zu begegnen. Wer hingegen dieser Musik und deren Kultur wenig oder nichts abgewinnen kann, der sollte sich dennoch nicht abschrecken lassen und dem Film eine Chance geben, denn ein überzeugenderes Bild eines Metalheads hätte Ragnar Bragason kaum kreieren können.

Eines jedenfalls steht fest: "Metalhead" ist schon jetzt Kultkino und ein kleines Meisterwerk, welches den Genreverwandten Grossproduktionen aus Hollywood problemlos das Wasser reichen kann.

Punkte: 10 / 10




Montag, 16. Februar 2015

Das Überleben der echten Musik



Nein, ich bin selber kein Musiker; zumindest nicht einer, der intensiv daran arbeitet, um mit Musik sich selbst auszudrücken und davon leben zu können. Aber ich bin jemand, der schon früh von Musik und Kunst im allgemeinen fasziniert war. Zwar liessen es diverse Umstände in meinem Leben nicht zu, mich darin zu entfalten und ausbilden zu lassen (und das ist eine lange, ganz eigene Geschichte...), doch im Laufe der Jahre konnte ich vermehrt hinter die Kulissen von Musikern blicken und habe dabei eine regelrechte Empathie dafür entwickelt.

"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum" (Friedrich Nietzsche) oder "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist" (Victor Hugo) sind zwei von zig anderen Zitaten, welche ausdrücken, wie wichtig Musik für uns Menschen ist. Egal in welcher Lebenslage man sich gerade befindet, Musik kann etwas verstärken, verändern oder gar heilen.

Und dennoch hat sich im Musikbusiness seit der Digitalisierung und dem daraus entwickelten Downloadkonsum etwas grundlegend verändert. Der Verkauf von physischen Tonträgern wie CDs ist massiv zurückgegangen. Durch den Overkill an Neuveröffentlichungen ist es angenehmer, ein einzelnes Stück herunterzuladen (ob kostenpflichtig oder nicht), statt eine ganze Scheibe zu erwerben. Irgendwie verständlich. Vom Musiker bzw. Künstler kriegt man höchstens noch das Gesicht im Netz oder bestenfalls in einem Clip auf Youtube mit. Musik ist - wie vieles andere auch - mittlerweile zum Konsum geworden, der einerseits unverzichtbar ist, für den man aber andererseits möglichst nichts ausgeben will.

Die Folge ist, dass immer mehr Musiker (und ich meine richtige Musiker, nicht Businesspüppchen, die heute einen grossen Hit landen und morgen wieder vergessen sind) in ihrem Schaffen immer weniger die Lorbeeren und den Lohn kriegen, der ihnen eigentlich zustünde. Klar, Musik und Kunst im allgemeinen lässt sich schlecht am Aufwand messen, da schliesslich alles im Auge und Ohr des Konsumenten liegt. Deshalb ist die Musikindustrie eiskalt darauf ausgerichtet, möglichst viel Umsatz und Gewinn einzubringen - egal welche Stilrichtung man spielt. Dies ist wiederum eine Frage des Trends. Falls man also immer mit der neusten Welle mitreitet, muss man sich um die Zukunft der Musikindustrie keine Sorgen machen, die wird immer Mittel und Wege finden, dem Konsumenten die Geldscheine aus der Tasche zu entlocken.


Problematisch wird's erst dann, wenn man sich einem Randgenre wie bestimmte Richtungen des Rock, Blues, Jazz, Folk, Punk oder Metal verschrieben hat - also Musik, die per se existiert und nicht ein Produkt der nächsten angesagten Strömung ist; das heisst, wenn Musiker diejenige Musik machen, die sie wirklich spielen wollen und mit der sie sich am besten ausdrücken können. Hier ist es für unzählige Bands und Musiker zum Überleben, statt Davon-Leben geworden. Gerade unpopuläre Sparten der eher harten Rockmusik überleben aufgrund ihrer treuen Fans. Hier findet eine gegenseitige Annäherung statt, die schon fast eine gewisse Intimität hat. Das heisst, dass sich Musiker nicht zu schade sind, sich auf die Ebene des Bodenpersonals herunter zu lassen. Ihnen ist klar, dass sie ihr grösstes Kapital sind und nicht irgendwelche Firmen, Labels oder Institutionen, die zwar mit Moneten viel ermöglichen, aber niemals auf Dauer ein Herz oder Treue erkaufen können.

Was dies konkret heisst? Nun, jede Entwicklung und Erneuerung eröffnet neue Wege und Chancen, Musik unabhängig von Radio und MTV zu verbreiten und an den Verbraucher zu bringen. Die Frage ist nur, was man daraus macht. Wer nämlich z.B. eine talentierte, noch unbekannte Band am Leben erhalten will, der tut ihr damit den grössten Gefallen, wenn es nicht beim Gratis-Download, einer Raubkopie oder beim Youtube-Clip bleibt. Duzende, ja hunderte von investierten Stunden, Schweiss und Herzblut haben mehr verdient. Wenn es unser Herz berührt erst recht...

In anderen Worten: Konsumierst du noch oder unterstützt du schon?

Donnerstag, 5. Februar 2015

Am Rand von Kitsch regiert eine grossartige Stimme


BATTLE BEAST 

Unholy Savior  

(Metal, Heavy Metal, Power Metal, Melodic Metal)


Knapp zwei Jahre sind vergangen, seit die sechs Finnen mit ihrem zweiten, gleichnamigen Album vor allem Ohren und Herzen von Liebhabern des traditionellem Heavy Metal in modernem Gewand verwöhnten. Dabei sah die Ausgangslage damals eher nach einer Zangengeburt aus, da Sängerin Nitte Valo die Band kurz vor den Aufnahmen völlig überraschend verliess. Eine neue Reibeisenstimme wurde in Noora Louhimo gefunden und erwies sich als Jackpot. Nicht nur, weil sie mit der Rauheit von Nitte mithalten kann, sondern weil sie schlicht mehr Spektrum bietet und auch in ruhigen Stimmlagen stets auf der Höhe ist. Jedenfalls sang sie die Songs tadellos ein und machte auf der nachfolgenden Tour von sich Reden.

Bei "Unholy Savior" konnte Songwriter Anton Kabanen also ungehindert aus den Vollen schöpfen und das Resultat ist eine unüberhörbare Weiterentwicklung, die sich vor allem in der Versiertheit zeigt. So schockten Battle Beast schon mal mit dem Vorab-Lyric-Clip von "Touch in the Night", welcher vielerorts aufgrund des poppigen Einschlags komplett verrissen wurde. Viele Fans fühlten sich verraten, andere aber begrüssten die Hommage an 80er Synthi-Bands wie Alphaville oder A-ha mit einem Augenzwinkern. Zudem kleistern die Finnen mit "Sea of Dreams" und "Angel Cry" gleich zwei Balladen hin, welche zwar sogar vereisten Schnee zum Schmelzen bringen, den hartgesottenen Metaller aber jäh an die Grenzen des Erträglichen führen könnten.

Aber auch die rassigen Nummern sind ausgefeilter als auf dem Vorgänger. Bereits der Opener "Lionheart" besticht durch einen guten Aufbau, variierender Rhythmik und eingängigen Hooks. Der anschliessende Titeltrack haut in dieselbe Kerbe, bietet aber noch mehr Dramatik, bevor mit "I want the World..." zum ersten Mal Battle Beast in gewohnter Manier aus den Boxen brettert. "Madness" erinnert im ersten Augenblick zwar an "Wishmaster" von Nightwish, kracht aber deutlich härter daher und mit "Speed and Danger" wird so richtig aufs Gaspedal gedrückt, dass man nicht drum herum kommt, spätestens hier den Lautstärkeregler doch noch etwas anzuheben. Und mit dem balladesken "The Black Swordsman" und dem dazugehörenden, angeknüpften Instrumental "Hero's Quest" führt Kabanen sein lyrisches Lieblingsthema fort: Das Fantasy-Manga Berserk. Im Übrigen eine Inspiration, welche laut Kabanen selbst, verknüpft mit persönlichen Erlebnissen, man in praktisch allen Texten von Battle Beast wiederfindet. "Far far away" zeigt dann die Finnen nochmals so, wie man sie kennt und am liebsten mag - mit schlichten Riffs, im Midtempo gehaltener Groove und ein Chorus zum Mitschreien.


Selbst nach wiederholtem Durchlauf fällt es mir in der Tat nicht leicht, dem dritten Werk dieser jungen Band ein definitives Votum zu geben. Wenn auch an Versiertheit und musikalischer Reife dem Vorgänger überlegen, fehlt dann doch der durchgehende Biss und vor allem die Hitdichte, welche der grossartige Vorgänger vorweist. Zwar singt sich Noora mit ihrem faszinierend rauhen, kraftvollen, aber gleichzeitig auch feinen Gesang auf "Unholy Savior" locker die 10 heraus, aber als Gesamtpaket "Battle Beast" bleibt noch Luft nach oben. Konnte man nämlich das Vorgängeralbum ohne weiteres in einem Guss durchhören, ist man bei "Unholy Savior" wiederholt versucht, die Skip-Taste zu drücken.

Trotzdem ein wirklich gelungenes Album, welches vor allem durch eine brillante Sängerin heraussticht, Songs mit Ohrwurmcharakter bietet und damit die Finnen auf die nächste Stufe erheben und sie zu einer ernst zu nehmenden Grösse machen dürfte.

Punkte: 7.5 / 10

 Credits: Nuclear Blast Records 2015